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Geheimrat Prof. Dr. Theodor Henkel (1855-1934)
Der Sohn des Sattlermeisters und Getreidehändlers Theodor Henkel (1811-1874) und dessen Ehefrau Therese, geb. Ebersberger wurde am 17.9.1855 in Wolfertschwenden geboren.
Theodor war der letzte von fünf Buben, besuchte erst das Gymnasium Dillingen und mit der Übersiedlung der Familie nach München-Haidhausen trat er in die Oberstufe des Maximiliansgymnasiums in München ein, wo er 1874 sein Abitur ausgezeichnet bestand.
Anschließend studierte er Chemie und Naturwissenschaften am Polytechnikum in München.
Nach der Diplomprüfung arbeitete Th. Henkel in München. Ab 1880 ist er für 4 Jahre Assistent an der Kgl. Zentralversuchungsanstalt der TH München bei dem eben dorthin berufenen Prof. F. v. Soxhlet.
1884 entwickelte er die Methode zur Bestimmung des Milchsäuregrades, die nach Soxhlet-Henkel (kurz SH) benannt wurde und noch heute jedem Fachmann unter der von Prof. Peter erweiterten Form geläufig ist.
Im selben Jahr wurde Th. Henkel Direktor der Milchkonserven- und Milchzuckerfabrik von Eduard Loeffl in Schüttentobel im Allgäu und erarbeitete hier die Herstellung von sterilisierter und kondensierter Milch ohne Zucker und von Rahmkonserven.
Seine Forschungsarbeit „Citronensäure als normaler Bestandteil der Kuhmilch“, für die er 1881 in Erlangen zum Dr. phil. promovierte, machte ihn weit über die Grenzen des Landes bekannt.
1902 erhielt Henkel den Ruf zum Professor für Milchwirtschaft an die Kgl. Academie nach Weihenstephan. Er übernahm dort auch die Leitung des Milchwirtschaftlichen Instituts und der kurz zuvor eröffneten Molkereischule.
1913 übernahm Henkel als ordentlicher Professor den Lehrstuhl für Agrikulturchemie und Milchwirtschaft der TH München als Nachfolger seines Lehrers und Mentors Prof. F. v. Soxhlet und behielt die Leitung des Instituts bis 1930.
1925 wurde er zum Geh. Regierungsrat ernannt und mit der Leitung der bayerischen Hauptversuchs-anstalt für Landwirtschaft betraut. Hochgeehrt wurde er 1934 emeritiert. Für seine wissenschaftlichen Leistungen erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, u.a. das König Ludwig-Kreuz, den Liebig-Preis, die große silberne Max-Eyth-Medaille der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft sowie die Dr.-F.J. Herz-Medaille.
Henkel kam gerne und oft in die Heimat zurück, wo er in Wolfertschwenden und im Thal mit Jugendfreunden und in Musterbetrieben Fragen diskutierte und Neuerungen erprobte.
Zahlreiche Geräte, wie z.B. ein Euterschutz, Melkerkleidung und hygienische Melkeimer wurden von ihm entworfen und eingeführt. Als einer der ersten in Deutschland hat er sich intensiv mit der Futterkonservierung befasst, sparsamere und technisch verbesserte Methoden des Heuerntens erarbeitet und die Futtersilos in Bayern eingeführt. Mist- und Jauchekonservierungsprobleme verfolgte er ebenso wie die Erzeugung von Qualitätsmilch.
Henkel heiratete 1885 in München Rosalie Graf (1859- 1915), Tochter des Bildhauers Johann Evangelist Graf.
Der Ehe entstammten die Söhne Theodor (*1890) und Heinz (*1893, gefallen 1916) sowie die Tochter Helene (*1891).
Eine Gedenktafel ist heute im Eingangsbereich des Wolfertschwendener Rathauses angebracht.
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Vitus Reisacher (1851 - 1913) - Porträtmaler
Der älteste Sohn der zwölf Kinder der Wolfertschwendener Weberseheleute Gabriel und Therese Reisacher lernte nach dem Volksschulbesuch - wie seine drei jüngeren Brüder später - das Handwerk des Malers, genauer das des Anstreichers auf dem Dorf.
Er spezialisierte sich jedoch schon früh auf ein damals noch sehr seltenes und obendrein recht kompliziertes Gewerbe: das des Photographen. In den Jahren nach dem gewonnenen Krieg 1870/71 eröffnete er ein Photoatelier in Wemding im Ries, wo er auch 1877 heiratete.
Aus der Beschäftigung mit der Porträtphotographie entwickelte sich sein nächster Beruf: Ölporträts (oft von Ehepaaren) nach Photos anzufertigen, eine gesuchte Kunst in einer Zeit des wirtschaftlichen Aufschwunges und Wohlstandes.
1880 zieht die Familie nach München, wo er mehr Kunden, aber auch beste Vergleichsmöglichkeiten, zahlreiche Anregungen und die Gelegenheit zur eigenen, zielstrebigen Weiterbildung findet. In der bayerischen Hauptstadt, die Künstler aus aller Welt anzieht, schafft er bald den Durchbruch zum gesuchten Porträtisten. Von den weltlichen und geistlichen Würdenträgern, die sich von ihm abbilden lassen, erwähnen wir nur den Bischof von Eichstätt, Franz Leopold von Leonrod.
Weiteres gezieltes Experimentieren mit der Photographie führt ihn zum Aufziehen von Photos auf Porzellan und zu plastischen Reliefphotos. Für das letztere Verfahren, bei dem man Gelatine mit lichtempfindlichen Salzen durchsetzt, wird ihm im Jahre 1900 sogar ein deutsches Reichspatent erteilt, das er jedoch nicht geschäftlich ausnutzt.
Außer Portraits kennen wir von ihm gefällige Landschaftsdarstellungen und Bilder religiösen Inhalts im Stil der damaligen Neugotik.
Am 7. September 1913 setzte ein Herzschlag seinem Leben ein Ende. Er war verheiratet und hatte zwei Kinder.
Die hier abgebildeten zwei Ölporträts von 1891 zeigen Joseph Dodel, ehemaliger Bürgermeister in Wolfertschwenden und dessen Ehefrau Anna Maria Dodel, geb. Schalk.
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Sylvester Reisacher (1862 - 1916) - Panorama-Maler
Als jüngstes von zwölf Kindern der Weberseheleute Gabriel und Therese Reisacher erblickte Sylvester Reisacher am 9. März 1862 in Wolfertschwenden das Licht der Welt.
Nach dem Besuch der Volksschule erlernte er - wie seine älteren Brüder Hans, Gregor und Vitus - das Malerhandwerk und begab sich dann, nach altem Brauch, auf die Wanderschaft.
In Wemding im Ries, wo sein Bruder Vitus inzwischen ein Fotoatelier eröffnet hatte, arbeitete er im Jahr 1880.
1883 gewann er das Wittelsbacher Stipendium zum Besuch der Kunstgewerbeschule in München.
Dort wird Prof. Louis Braun (1836 - 1916), ein damals bekannter Schlachtenmaler, auf den jungen Studenten aufmerksam und zieht ihn bald zu größeren Arbeiten als Mitarbeiter heran.
Um genaue Detailkenntnisse von berühmten Schlachtfeldern zu erwerben, reist Reisacher nach Leipzig (Völkerschlacht, 1813), und Lützen (1632 Sieg der Schweden über Wallenstein).
Unter der Leitung von Prof. L. Braun arbeitet er an Panoramen in Dresden, Leipzig und Berlin.
Panoramen sind 360ᵒ-Rundgemälde, ca. 12 Meter hoch, 90-115Meter im Umfang. In erster Linie werden biblische Themen und damals vor allem deutsche Siege im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 dargestellt. Solch riesige Gemälde können nur von Teams bewältigt werden. S. Reisacher spezialisierte sich auf den figürlichen Teil, andere auf die Architektur oder die Landschaften.
Ab 1889 hat er mehrmals an den Kunstausstellungen im Glaspalast in München teilgenommen. Er machte weite Reisen, z.B. nach dem Balkan, dem Heiligen Land und nach Russland, wo sich angeblich auch Zar Nikolaus II. von ihm porträtieren ließ.
Im Jahr 1899 wurde das unter seinem Namen laufende Panorama “Die Erstürmung der Spicherer Höhen“ für Düsseldorf fertiggestellt.
Seine Skizzen und Fotos aus Palästina verwendete er für das 1902 in München eröffnete Panorama “Der Einzug Christi in Jerusalem“, welches dann weiter nach Mailand ging.
Bereits 1891 hatte er mit Anton Brouwer ein aus zwei Halbpanoramen bestehendes Rundgemälde für Amsterdam fertiggestellt: “Der Weg des Herrn nach Golgotha und sein Kreuzesopfer“. Amsterdam sollte für den Künstler von großer Bedeutung bleiben.
Von einer Reise nach Paris brachte er viele neue Anregungen von Seiten der Impressionisten mit und wendete sich nun stark der Landschaftsmalerei zu; insbesondere schuf er eindrucksvolle Alpenlandschaften aus dem Allgäu, den bayerischen Alpen und aus dem Engadin.
Seine Qualitäten als Porträtist nimmt sogar der bayrische Ministerpräsident und spätere deutsche Reichskanzler Chlodwig Fürst von Hohenlohe-Schillingsfürst in Anspruch.
1902 malt Reisacher 6 Dioramen aus dem Burenkrieg, die in München ausgestellt werden und von denen heute fünf im Kulturhistorischen Freilichtmuseum in Pretoria, Südafrika, gezeigt werden.
1904 wird nach Ausstellungen in Stuttgart und Dortmund in München Reisachers “Sturm auf Champigny“ gezeigt. Auf der Weltausstellung in Lüttich 1905 werden an Ostern zwei große Dioramen von ihm gezeigt.
Zum Passionsspieljahr 1910 passend, wird erneut der “ Einzug Christi in Jerusalem“ in München gezeigt. Dieses hochberühmte Panorama Reisachers kommt 1914 ins Panorama nach Amsterdam, wo es bis 1926 – also bis 10 Jahre nach dem Tod des Künstlers – unter den Namen seiner Mitarbeiter ausgestellt bleibt.
Im Kriegsjahr 1915 brennt das Panoramagebäude auf der Theresienhöhe in München ab. So gehen mehrere dort magazinierte große Schlachtengemälde, darüber hinaus Skizzen zu religiösen Themen und viel Plattenaufnahmen aus dem Heiligen Land für immer verloren.
Kurz nach seinem 54. Geburtstag starb Sylvester Reisacher am 19. März 1916 an einem Gehirnschlag in München. Er blieb kinder- und ehelos.
Seine Entwürfe zu einer Bemalung der Orgelempore in der Pfarrkirche von Wolfertschwenden kamen leider nie zur Ausführung.
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Prof. Dr. Ing. Georg Schnadel (1891-1980)
Obwohl Georg Schnadel und seine Schwester Babette noch in Rechtis bei Kempten geboren wurden, zählen wir sie auch als Niederdorfer, wo sie mit den übrigen acht Geschwistern aufgewachsen sind, beim Vater (dem Dorfschullehrer Georg Schnadel in Niederdorf von 1893 bis 1917) die Schule besuchten und mit den Nachbarskindern auf dem Kreuzbauernhof (heute Allgäuerstr. 17) spielten.
Georg besuchte erst die Realschule in Memmingen, dann die Oberrealschule in München. Er begann sein Studium an der TH München, wurde im 1. Weltkrieg eingezogen und legte 1920 das Diplomexamen an der TH Danzig ab.
Nach einigen Jahren als Ingenieur und Konstrukteur an der Danziger Werft konnte er anschließend eine Assistentenstelle an der TH Danzig bekommen. Eine kurze Zeit als Statiker und Forschungsingenieur bei Rohrbach-Metallflugzeugbau schloss sich an. Promotion zum Dr. Ing. und Habilitation folgten.
1928 wurde G. Schnadel ordentlicher Professor für Statik der Schiffe und Schiffselemente an der TH Berlin, wo er bis Herbst 1945 lehrte. Er war der erste Nachkriegsrektor der TH Berlin.
1934 leitete er die Hochseemessfahrt auf dem Motorschiff San Francisco und war 1938 Vorstands-mitglied des Germanischen Lloyd.
Im November 1945 wurde er zum Leiter der Hauptverwaltung des Germanischen Lloyd in Hamburg berufen.
Im Jahre 1950 rief er die Schiffsbautechnische Gesellschaft wieder ins Leben, deren Vorsitz er schon 1940 innehatte. In den Jahrbüchern dieser Gesellschaft sowie in den Zeitschriften “Schiffbau“ und “Werft, Reederei, Hafen“ sind seine wichtigsten Arbeiten veröffentlicht.
Der mit vielen Ehrungen, darunter das Große Bundesverdienstkreuz, und Würden versehene Sohn unserer Heimat starb 1980.
Eine Straße in Niederdorf ist heute nach ihm benannt.
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Anna Maria Wrzesinski, geb. Zick (1921-2008)
Im Jahr 1940, im Alter von 19 Jahren, verliebt sich die junge Magd Anni in den polnischen Zwangsarbeiter Henryk, der auf demselben Hof arbeitet. Sie wird schwanger und bringt 1943 die Tochter Elsbetha zur Welt. Anna und Henryk werden angezeigt und verhaftet, da solch eine Beziehung zwischen Deutschen und Zwangsarbeitern im Nationalsozialismus verboten war.
Henryk kommt ins Konzentrationslager (KZ) in Dachau, Anni über München, Wien, Dresden, Leipzig, Berlin am 13. Februar 1944 ins KZ Ravensbrück.
Die Großeltern ziehen selbstverständlich das jetzt elternlose Baby auf.
Anni überlebt die unvorstellbaren Qualen im KZ Ravensbrück und wird im Januar 1945 entlassen.
Henryk hatte versprochen, dass er, falls er überlebte, zurückkehren würde.
Im Mai 1945 kommt auch Henryk ausgemergelt nach Wolfertschwenden zu seiner Familie zurück.
Die erste Eheschließung dieses Jahres in Wolfertschwenden war am 16. Juli: Anna Maria und Henryk Wrzesinski. Im Jahr 1946 wird ihr Sohn Heinrich geboren. Das junge Paar verzeiht.
Obengenannte Fakten sind dem Buch: Anna Maria Wrzesinski: „Es darf nicht sein! Der Bericht einer Allgäuer Magd über eine lebensgefährliche Liebe“, aufgezeichnet von Erdmuthe von Baudissin, 2007 herausgegeben im Wißner-Verlag Augsburg, entnommen.
Im Jahr 2004 entstand im Auftrag des Bayerischen Rundfunks in der Reihe „Lebenslinien“ ein Dokumentarfilm über Anna Maria Wrzesinski.
Auch der Deutschlandfunk hat im Jahr 2008 einen Beitrag über Anna Maria Wrzesinski gesendet.
Bis ins hohe Alter hat Anna Maria Wrzesinski als Zeitzeugin Schulklassen besucht und Jugendliche mit der Schilderung ihres Lebens beeindruckt.